Tiere im Nationalsozialismus - Vortrag von Jan Mohnhaupt
Am 18. Juni 2023 hatten wir Jan Mohnhaupt in der Loge zu Gast der einen berührenden Vortrag aus dem Thema seines Buches „Tiere im Nationalsozialismus“ hielt. Die Geschichte der Tiere im „Dritten Reich“ ist bislang noch wenig erforscht. Dabei spielten sie in allen Bereichen des Lebens, in der Ideologie und Landwirtschaft, im Krieg und im Schulwesen eine bedeutende Rolle. Und ganz besonders auch im vermeintlich Privaten.
Das Thema mag auf den ersten Blick belanglos erscheinen, angesichts der vielen Toten aus dieser Zeit. Das ist es jedoch nicht. Es zeigt sehr deutlich, wie groß der Hass auf die Juden war und mit welchen perfiden Methoden ihnen das alltägliche Leben bis zur Vernichtung erschwert wurde. Jeder, der zu Hause einen Hund, eine Katze oder einen Vogel hält, weiß wie stark und persönlich dieser Angriff auf ein „Familienmitglied“ ist. Jan Mohnhaupts Vortrag machte die Zeit des Nationalsozialismus mit diesen Dingen für alle erfahrbar.
Jan Mohnhaupts Buch ziert ein großer Hirsch vor grauem Hintergrund. Es ist die Figur des „Raufbold“; ein Hirsch, den Hermann Göring 1936 in der Rominter Heide geschossen hatte. Göring ließ daraus vom Bildhauer Johannes Darsow (1877-1940) ein Standbild machen und auf der internationalen Jagdausstellung 1937 zeigen. Im unscharfen Hintergrund ist das Gebäude der Ausstellung zu erkennen. Das Bild lässt Unbehagen aufsteigen.
Gruselig ging es auch weiter. Jan Mohnhaupt führt in die Rechtslage und die unter den Nazis eingeführten Tierschutzgesetze ein: Die Nationalsozialisten sahen sich als Vorreiter in Sachen Tierschutz, Adolf Hitler inszenierte sich medienwirksam als Tierfreund mit seinen Schäferhunden. Doch hinter der Fassade der NS-Propaganda zeigte sich eine andere Realität.
Gleich zu Beginn der Nazi-Herrschaft wurde ein Gesetz über das Schlachten von Tieren erlassen. Unter dem Vorwand des Tierschutzes verbot das Regime den Juden das Schächten von Tieren, während es in den vierziger Jahren Moslems weiterhin erlaubt war.
1933 wurde das Reichstierschutzgesetz erlassen, ein Jahr später das Reichsjagdgesetz und 1935 das Reichsnaturschutzgesetz. Letzteres stammte in Wahrheit von dem Justitiar und Höhlenforscher Benno Wolf, der bereits in der Weimarer Zeit erste Entwürfe für ein Naturschutzgesetz in Deutschland erarbeitet hatte. Aufgrund seines jüdischen Glaubens musste er 1933 die Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege verlassen, 1942 erfolgte seine Deportation in das KZ Theresienstadt, dort starb er 1943.
Widersinniger Weise hielten sich die Nazis tatsächlich für das einzige Volk, welches eine anständige Einstellung zum Tier habe, während man gleichzeitig tausende von Menschen: Juden, Zwangsarbeiter, Sinti und Roma ermordete.
Jan Mohnhaupt führte aus, wie zerrissen und uneinheitlich die Beurteilung von Tieren im „Dritten Reich“ war, indem er an einem Schaubild die „Gute Katze“ und die „Böse Katze“ erläuterte. Erstere ist ein Herrentier, nicht vollständig domestiziert und ein hygienischer Helfer, weil sie Mäuse und Ratten jagt und frisst. Die Böse Katze ist aus mehr oder weniger den gleichen Gründen angeblich „der Jude unter den Tieren“, denn sie ist nicht treu zu ihrem Herren und jagt und frisst die Singvögel.
Ab dem Frühjahr 1942 war es Jüdinnen und Juden in Deutschland verboten, Haustiere zu halten. Die Heimtierhaltung wurde zum Privileg, das fortan nur sogenannten „Volksgenossen“ vorbehalten war. Davon zeugen zahlreiche Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen; der wohl bekannteste stammt von dem Dresdener Philologen Victor Klemperer. Für ihn und seine Frau war ihr Kater Mujel 1942, als die Eheleute in einem Dresdner «Judenhaus» um ihr Leben bangen mussten, ein Mutmacher – ihr Symbol des Ausharrens in einer immer aussichtsloser werdenden Wirklichkeit: «Der erhobene Katerschwanz ist unsere Flagge», notierte Klemperer, «wir streichen sie nicht, wir behalten die Nase hoch, wir bringen das Tier durch.» Umso untröstlicher war Klemperers Frau, als sie den Kater wegen des Haustierverbots schließlich doch zum Tierarzt bringen musste. Das «ist eine der Grausamkeiten, von der kein Nürnberger Prozess berichtet und denen ich, lägʼ es in meiner Hand, einen turmhohen Galgen errichten würde, und wenn mich das die ewige Seligkeit kostete», urteilte Victor Klemperer 1947 nach Kriegsende in seinem Tagebüchern «LTI: Notizbuch eines Philologen» und darüber in Rage geriet.
Jan Mohnhaupt schloss seinen Vortrag versöhnlich mit der Vorstellung von Maria Gräfin von Maltzan (1909-1997), die während der NS-Zeit als Tierärztin arbeitete und zahlreiche Tiere vom dem Kriegseinsatz bewahrte. Auch 60 Menschen rettete sie vor der Deportation und dem sicheren Tod. Wer empathisch ist und Tiere schützt, der schützt auch Menschen.
Zur Person: Jan Mohnhaupt, geboren 1983 im Ruhrgebiet, ist Sachbuchautor und schreibt für diverse Zeitungen und Magazin. Im März 2020 erschien im Carl Hanser Verlag mit "Tiere im Nationalsozialismus" sein drittes Buch, das bereits in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Er lebt und arbeitet in Magdeburg. (Autorenfoto: Marko Bußmann).
Das Buch von Jan Mohnhaupt „Tiere im Nationalsozialismus“, 2020 im Hanser Verlag erschienen, wurde in die Bibliothek der B.B.Loge aufgenommen.